Internetkriminalität – ein Überblick: Schöffen begegnen der digitalen Bedrohung

„Was sind Ihre Daten im Internet wert?“ – Mit dieser provokanten Frage wurden die Teilnehmenden am 15. Mai 2025 zu einem spannenden Themenabend in der Volkshochschule Unstrut-Hainich-Kreis in Mühlhausen begrüßt. Im Rahmen der Schöffenfortbildungsreihe „Begegnen | Beraten | Entscheiden“ begaben sich interessierte ehrenamtliche Richterinnen und Richter auf eine erkenntnisreiche Reise in die Welt der Cyberkriminalität – ein komplexes und hochaktuelles Thema, das auch in der strafgerichtlichen Praxis zunehmend an Relevanz gewinnt.

Von der digitalen Front an den Richtertisch

Für die Veranstaltung konnte mit Herrn Tino Heyer ein ausgewiesener Experte gewonnen werden, der kurzfristig für den ursprünglich vorgesehenen Referenten Christoph Machlitt aus dem Ministerium für Inneres und Kommunales eingesprungen ist, der aus beruflichen Gründen verhindert war. Als ehemaliger Dezernatsleiter „Cybercrime“ des Landeskriminalamts Thüringen im Dezernat 64 brachte er nicht nur fundiertes Fachwissen, sondern auch jahrelange praktische Erfahrung mit. Seine Definition von Cybercrime bildete den Ausgangspunkt des Abends: „Cybercrime umfasst alle Straftaten, die sich gegen das Internet, Datennetze, informationstechnische Systeme oder deren Daten richten oder mittels dieser Technologien begangen werden.“

Was zunächst technisch klingen mag, übersetzte Heyer in greifbare Alltagsszenarien: Vom morgendlichen Schrecken, wenn plötzlich alle Unternehmensdaten verschlüsselt sind, bis hin zur vermeintlich harmlosen E-Mail, die das Tor zu einem digitalen Einbruch öffnet. Der Schulungsraum war spürbar gebannt, als der Experte die verschiedenen Erscheinungsformen digitaler Kriminalität schilderte.

Thüringen im Visier der Cyberkriminellen

Faktencheck: Die präsentierten Zahlen ließen aufhorchen: 3.284 Cybercrime-Fälle wurden im Jahr 2024 in Thüringen registriert – ein Anstieg um 3,9% gegenüber dem Vorjahr. Besonders alarmierend: Die Zunahme bei Computerbetrug (+8,0%), Computersabotage (+45,8%) und dem Ausspähen von Daten (+3,5%).

„Diese Statistiken sind keine abstrakten Zahlenspiele“, betonte Heyer. „Hinter jedem Fall stehen Menschen und Unternehmen, deren Alltag und Existenz durch diese Angriffe massiv beeinträchtigt wurden.“ Er illustrierte dies anhand regionaler Beispiele, darunter eine Welle von Betrugsfällen im geschäftlichen Zahlungsverkehr rund um Mühlhausen, die erst kürzlich zu Warnmeldungen der Zentralen Ansprechstelle Cybercrime (ZAC) geführt hatte.

Die digitalen Maschen der Kriminellen

Welche Methoden nutzen die modernen Datendiebe? Der Referent erläuterte anschaulich die wichtigsten Deliktformen:

„Stellen Sie sich vor, Ihr Computer wird zur Geisel“, beschrieb Heyer das Phänomen Ransomware, bei dem Daten verschlüsselt werden und Lösegeld gefordert wird. „Oder Sie erhalten eine E-Mail, die täuschend echt nach Ihrer Hausbank aussieht“ – so funktionieren Phishing-Angriffe zur Erlangung von Zugangsdaten.

Besonders perfide: Beim sogenannten CEO-Fraud geben sich Täter als Vorgesetzte aus und täuschen Mitarbeiter, um Geldtransfers auszulösen. „Ein freundlicher Anruf, eine dringende E-Mail – schon sind tausende Euro überwiesen“, erklärte der Experte und ließ die Anwesenden an konkreten Fallbeispielen teilhaben.

Ein Thema, das uns alle betrifft

Ob Privatperson, Unternehmen oder Justiz – Cyber-Kriminalität macht vor niemandem Halt. Die Fallzahlen steigen, die Methoden der Täter werden raffinierter, und die Herausforderungen für Ermittler und Gerichte wachsen stetig. Mit dem Titel „Internetkriminalität – ein Überblick“ bot der Abend nicht nur einen Streifzug durch die digitale Schattenwelt, sondern auch wertvolle Einblicke für alle, die im Gerichtssaal Verantwortung tragen oder sich als Bürger schützen wollen.

Fachwissen aus erster Hand: Tino Heyer begeistert das Publikum

Tino Heyer öffnete den rund 50 Teilnehmenden die Augen für die Vielschichtigkeit digitaler Delikte. Mitreißend, anschaulich und praxisnah erläuterte er, was sich hinter Begriffen wie Ransomware, Phishing oder CEO-Fraud verbirgt – und warum gerade in Thüringen die Zahl der Cybercrime-Fälle zuletzt um 3,9 Prozent auf 3.284 Delikte gestiegen ist.

Seine Ausführungen reichten von spektakulären Betrugsfällen im Zahlungsverkehr bis zu den perfiden Tricks, mit denen Täter ahnungslose Mitarbeiter zu Geldtransfers verleiten. Besonders eindrücklich: Die Schilderung, wie mittelständische Unternehmen in der Region durch

Ransomware-Angriffe lahmgelegt wurden und wie wichtig es ist, digitale Spuren richtig zu bewerten.

Cybercrime: Angriffsziel oder Tatmittel?

Doch was genau ist Cyber-Kriminalität eigentlich? Heyer zog eine klare Linie: Im engeren Sinne sind es Straftaten, die sich gezielt gegen IT-Systeme oder deren Daten richten – etwa durch Schadsoftware, Datenmanipulation oder Hacking. Im weiteren Sinne nutzt der Täter digitale Technik als Werkzeug für klassische Delikte wie Betrug, Erpressung oder die Verbreitung illegaler Inhalte. Diese Unterscheidung ist für Schöffen und Richter entscheidend, um Täterprofile, Beweislage und rechtliche Einordnung richtig zu bewerten.

Rechtliche und praktische Herausforderungen

Die Zuhörerinnen und Zuhörer – darunter viele ehrenamtliche Richter – nutzten die Gelegenheit, um dem Referenten zahlreiche Fragen zu stellen: Wie erkennt man Phishing-Mails? Welche Rolle spielen Backups und IT-Sicherheitsstandards in der Prävention? Und wie kann die Zusammenarbeit zwischen Justiz, Polizei und Wirtschaft weiter gestärkt werden? Heyer berichtete von der Zentralen Ansprechstelle Cybercrime (ZAC) beim LKA Thüringen, die Opfern und Ermittlern zur Seite steht, und betonte die Bedeutung von Sensibilisierung und Weiterbildung.

Ein Abend, der nachwirkt

Die Resonanz war ausgesprochen positiv: Es wurde angeregt diskutiert und zahlreiche Fragen wurden gestellt. Das Thema bewegt – nicht nur die Schöffen, sondern viele Bürgerinnen und Bürger. Ein besonderer Dank gilt Tino Heyer für sein großes Engagement und seine Fähigkeit, komplexe Zusammenhänge verständlich und fesselnd zu präsentieren. Auf die eingangs gestellte Frage „Was sind Ihre Daten im Internet wert?“ gab Herr Heyer nach einigen Schätzungen aus dem Publikum schließlich auch eine Antwort: Fünf Euro lautete das Ergebnis.

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Tino Heyer und Thomas Koßwig

Fazit: Gemeinsam gegen die Unsichtbaren

Internetkriminalität ist wie ein unsichtbarer Gegner, der im Verborgenen agiert – doch gemeinsam sind wir ihm nicht schutzlos ausgeliefert. Die Fortbildung hat gezeigt: Wissen ist die beste Verteidigung. Nutzen Sie die Chance, sich weiterzubilden, wachsam zu bleiben und Verantwortung zu übernehmen – ob im Gerichtssaal, im Unternehmen oder im privaten Alltag. Denn Cybercrime geht uns alle an.

Bleiben Sie aufmerksam. Bleiben Sie informiert. Und vor allem: Bleiben Sie kritisch – denn der nächste Angriff kommt oft schneller, als man denkt.