Strafvollzug hautnah: Die Schöffinnen und Schöffen zu Gast in der JVA Tonna

Am 15. Mai 2025 öffnete die Justizvollzugsanstalt (JVA) Tonna ihre Türen für eine Gruppe engagierter Schöffinnen und Schöffen, organisiert von der Vereinigung der ehrenamtlichen Richterinnen und Richter Sachsen-Anhalt/Thüringen e.V. (VER-SAT). Dieser Besuch bot einen seltenen und intensiven Einblick in eine Welt, die sonst hinter hohen Mauern verborgen bleibt – eine Gelegenheit, die nicht nur informativ, sondern auch nachdenklich stimmend war.

Moderne Haftanstalt mit historischem Hintergrund

Schon beim Betreten der JVA Tonna wird deutlich: Hier handelt es sich um eine moderne Einrichtung, die 2002 auf einem ehemaligen Ackerland von 15,5 Hektar errichtet wurde und die über 130 Jahre alte Justizvollzugsanstalt in der historischen Kettenburg ablöste. Mit insgesamt 589 Haftplätzen, davon 529 im geschlossenen und 60 im offenen Vollzug, ist die JVA ein komplexes Geflecht aus Sicherheit, Betreuung und Resozialisierung.

Kompetente Führung durch erfahrene Mitarbeiter

Die Führung übernahm Lars Böhnhardt, ein langjähriger Mitarbeiter der Anstalt, unterstützt von einem Anwärter zum Justizobersekretär. Mit großer Sachkenntnis und Offenheit führten sie die Gruppe durch die verschiedenen Bereiche der JVA. Wie fühlt es sich an, hinter diesen Mauern zu stehen, die für viele Menschen eine Welt der Isolation bedeuten? Die Schöffinnen und Schöffen konnten hautnah erleben, wie die Haft- und Unterbringungsbedingungen gestaltet sind – nicht nur als reine Sicherheitsmaßnahme, sondern auch mit Blick auf die Würde und die Perspektiven der Inhaftierten.

Teilnehmerinnen und Teilnehmer JVA-Besuch Tonna / Foto: Privat

Sicherheit und Menschlichkeit im Strafvollzug

Besonders beeindruckend war der Einblick in das Sicherheitskonzept, das wie ein unsichtbares Netz den Alltag schützt und zugleich Freiräume schafft. Die JVA Tonna beschäftigt rund 300 Bedienstete aus verschiedenen Fachbereichen, von der Justizvollzugsbeamten über Sozialpädagogen und Psychologen bis hin zu Ärztinnen und Seelsorgern – ein vielfältiges Team, das tagtäglich daran arbeitet, den Strafvollzug menschlich und professionell zu gestalten.

Arbeit und Beschäftigung als Schlüssel zur Resozialisierung

Doch wie sieht der Alltag der Gefangenen aus? Hier zeigte sich die JVA als mehr als eine Haftanstalt. Arbeits- und Beschäftigungsmöglichkeiten sind breit gefächert: Von der Bäckerei, die Backwaren für den Eigenbedarf herstellt, über die Tischlerei, Sattlerei und Schlosserei bis hin zur DEKRA-zertifizierten Kfz-

Werkstatt. Auch die Gärtnerei mit ihrem großen Gewächshaus und der Gemüseanbau bieten sinnvolle Tätigkeiten, die nicht nur den Tag strukturieren, sondern auch Perspektiven für die Zeit danach eröffnen.

Freizeit- und Sozialangebote für den Ausgleich

Freizeit- und Sozialangebote runden das Bild ab: Eine Sporthalle, ein Sportplatz, eine Bibliothek, ein Andachtsraum und ein großer Mehrzweckraum schaffen Räume für Bewegung, Bildung und Besinnung. Die sozialtherapeutische Abteilung und die Substitutionstherapie zeigen, wie die Anstalt auf individuelle Bedürfnisse eingeht und versucht, Wege aus der Straffälligkeit zu ebnen.

Ein Ort zum Nachdenken und Verstehen

Dieser Besuch regt zum Nachdenken an: Wie gelingt es, Sicherheit und Resozialisierung in Einklang zu bringen? Wie können wir als Gesellschaft Verantwortung übernehmen, ohne die Menschen hinter Gittern aus dem Blick zu verlieren? Die Führung durch Lars Böhnhardt machte deutlich, dass die JVA Tonna

mehr ist als ein Ort der Verwahrung – sie ist ein komplexes System, das versucht, den Spagat zwischen Kontrolle und Menschlichkeit zu meistern.

Fazit: Unverzichtbare Erfahrung für Schöffinnen und Schöffen

Für die Schöffinnen und Schöffen war dieser Tag eine wertvolle Erfahrung, die ihre Rolle als ehrenamtliche Richterinnen und Richter bereichert. Jeder, der im Schöffenamt tätig ist, sollte mindestens einmal einen Besuch in einer Justizvollzugsanstalt mitgemacht haben. Denn nur wer diese besondere Perspektive erlebt, kann im Gerichtssaal mit einem tieferen Verständnis über die oft jahrelange Unterbringung in einer Haftanstalt mitentscheiden.

Möchten auch Sie mehr über die Arbeit hinter den Mauern erfahren? Die VER-SAT bietet regelmäßig solche Einblicke an – eine Chance, die Perspektive zu wechseln und den Strafvollzug mit eigenen Augen zu sehen. Denn nur wer versteht, kann auch gerecht entscheiden.

Dieser Besuch in der JVA Tonna zeigt eindrucksvoll: Strafvollzug ist kein starres System, sondern ein lebendiger Prozess, der ständig hinterfragt und weiterentwickelt werden muss. Und genau das macht ihn so spannend – für uns alle.