Erfahrungsbericht zur Veranstaltung mit Rechtsanwältin Janine Berger-Pahs am 24. April 2025 in der VHS-Unstrut-Hainich-Kreis

Wenn ein Strafverfahren beginnt, stehen oft die Täter im Mittelpunkt.

Aber was ist mit den Menschen, die verletzt wurden – seelisch, körperlich, existenziell? Wer steht ihnen zur Seite? Wer gibt ihnen ihre Stimme zurück?

Am 24. April 2025 hatten wir in der Volkshochschule Unstrut-Hainich-Kreis die Gelegenheit, diesen Blickwinkel zu wechseln. Die renommierte Geraer Rechtsanwältin Janine Berger-Pahs, seit vielen Jahren engagierte Opferanwältin beim WEISSEN RING Thüringen, gewährte uns tiefe und eindrückliche Einblicke in ihre tägliche Arbeit – praxisnah, leidenschaftlich, mit Herzblut. Sie sprach nicht über Paragrafen, sondern über Menschen. Über Scham, über Angst – aber auch über Mut, Selbstermächtigung und Gerechtigkeit.

Der Mensch im Zentrum – nicht nur auf dem Papier

Gleich zu Beginn wurde deutlich, dass der Opferschutz kein „Nebenschauplatz“ juristischer Prozesse ist. Im Gegenteil: Wer als Schöffin oder Schöffe Verantwortung übernimmt, muss sich der Bedeutung der Opferperspektive bewusst sein. Frau Berger-Pahs machte unmissverständlich klar, dass das Strafverfahren auch ein Ort sein kann, an dem Heilung beginnt – oder eben weiteres Unrecht geschieht.

Was tun, wenn ein Opfer im Zeugenstand erstarrt? Wie wirkt sich ein unbedachtes Nachfragen auf ein traumatisiertes Kind aus? Und wie können wir, als ehrenamtliche Richterinnen und Richter, sensibel und würdevoll mit solchen Situationen umgehen? Fragen, die sich nicht allein durch Gesetzestexte beantworten lassen – sondern durch Empathie, Wissen und Haltung.

Opferrechte in der Praxis – zwischen Anspruch und Wirklichkeit

Mit beeindruckender Klarheit führte die Referentin durch die gesetzlichen Grundlagen – vom Opferbegriff in der Strafprozessordnung bis hin zu speziellen Schutzrechten für besonders verletzliche Gruppen wie Kinder oder Gewaltbetroffene. Besonders eindrucksvoll: die Ausführungen zur psychosozialen Prozessbegleitung nach § 406g StPO – eine wichtige Stütze für viele, die sonst verloren wären im juristischen Dschungel.

Sie erzählte von einer jungen Frau, die nach einem Übergriff vor dem Verfahren kaum wagte, ihre Wohnung zu verlassen. Erst durch die Unterstützung einer Prozessbegleiterin fand sie die Kraft,

auszusagen – und sich selbst wieder als handlungsfähige Person zu erleben. Solche Geschichten bleiben im Gedächtnis. Sie berühren. Und sie rütteln auf.

Der Blick durchs Schöffengericht – mit den Augen der Opfer

Spannend und lehrreich war auch der Perspektivwechsel: Wie erleben Opfer den Ablauf eines Strafverfahrens? Was bedeutet es, Anzeige zu erstatten, dann monatelang zu warten – um dann plötzlich dem Täter gegenüberzusitzen? Welche Rechte haben Opfer im Hauptverfahren? Und wie fühlt es sich an, wenn die Öffentlichkeit ausgeschlossen wird – oder eben nicht?

Besonders wertvoll waren die praktischen Hinweise für Schöffinnen und Schöffen:
Wie erkennt man nonverbale Signale von Belastung? Wie kann man durch respektvolles Zuhören und einen würdevollen Umgang Vertrauen aufbauen – ohne seine neutrale Rolle zu verlieren? Diese Gratwanderung, so wurde deutlich, ist anspruchsvoll, aber lernbar. Und: sie ist notwendig.

Dialog statt Frontalvortrag – offener Austausch auf Augenhöhe

Die Veranstaltung war keine trockene Vorlesung, sondern ein lebendiger Austausch. Fallbeispiele wurden diskutiert, Fragen gestellt, Erfahrungen geteilt. Es wurde auch gestritten – etwa über das Spannungsfeld zwischen Opferrechten und dem fairen Verfahren für Beschuldigte. Aber genau das machte den Reiz aus: hier ging es um echte Fälle, echte Menschen, echte Herausforderungen.

Und plötzlich merkt man: Theorie trifft Praxis. Und das mit voller Wucht.

Fazit: Nicht nur Wissen gewonnen – sondern Haltung gestärkt

Wer an diesem Tag gekommen war, ging mit mehr nach Hause als nur juristischen Informationen. Viele nahmen Impulse mit – zum Weiterdenken, Weiterfragen, und vielleicht auch zum Weiterbilden. Denn Opferschutz ist keine juristische Fußnote. Er ist ein Prüfstein für die Menschlichkeit unseres Strafrechts.

Frau Berger-Pahs hat uns inspiriert, genauer hinzusehen. Empfindsamer zu urteilen. Und uns unserer Verantwortung als Teil des Gerichts bewusst zu werden.